Ist das Action-RPG Lords of the Fallen die deutsche Antwort auf Dark Souls? Und spielt das überhaupt eine Rolle? In unserem Kritik-Duo werfen wir aus zwei unterschiedlichen Blickwinkeln einen Blick auf das betont wuchtige Kampfsystem und die Rollenspielelemente: Kommen Action-RPGler und Dark-Souls-Fans gleichermaßen auf ihre Kosten? [tab:Behäbiges Action-RPG]
Ein Donnern durchfährt die Gemäuer des Klosters, das Wände und Bewohner gleichermaßen erzittern lässt. Wieder und wieder dröhnt es in den schmalen Gängen des heiligen Ortes. Kerzenflammen tanzen im Takt der Druckwellen, die mit jedem weiteren Grollen ausgesendet werden. Der Schattentanz zeichnet groteske Kreaturen an die steinernen Wände, die sich dem Donner hingeben. Ein letztes Mal lasse ich meinen Hammer auf den Schild der Dämonenbestie niedergehen – ein letzter Donner. Die Verteidigung bricht unter der Wucht des Schlages. Blutüberströmt geht der Gegner zu Boden. Einer von vielen.
Behäbiger Monsterschlächter
Lords of the Fallen des deutschen Entwicklers Deck 13 Interactive (Venetica) ist ein Action-Rollenspiel, wie es wuchtiger kaum sein könnte. Zugleich führt die Genrebezeichnung in die Irre: actionreich ist in diesem Dark-Fantasy-Abenteuer nun wirklich nichts. Vielmehr erheben die Entwickler die Behäbigkeit zur neuen Kunstform. Das gilt vor allem für das Kampfsystem. Wenn ich Held Harkyn den flammenden Zweihänder schwingen lasse, spüre ich förmlich, welche Kräfte dazu erforderlich sein müssen. Denn die Klinge setzt sich unter dem angestrengten Stöhnen Harkyns nur langsam in Bewegung. Trifft sie nach einer gefühlten Ewigkeit endlich auf ihr Ziel, meine ich die Wucht des Aufpralls in den eigenen Gliedern zu fühlen.
Diese physische Präsenz des Kampfsystems wird auf allen Sinnesebenen erzeugt, die moderne Videospiele bedienen können. Grafik und Akustik tragen gleichermaßen dazu bei, den Kampf erfahrbar zu machen. Die feinen Animationen sowohl Harkyns als auch seiner Widersacher, die unter jedem Schlag sichtbar erzittern, Funkenschläge, die die Gemäuer nur für einen Augenblick illuminieren, wenn Metall auf Metall trifft, und die obligatorische Wackelkamera, die selbst aus Sicht der dritten Person von Schlägen zum Erzittern gebracht wird, könnten die Kämpfe kaum schöner in Szene setzen. Doch erst das tiefe Grollen, das sich erhebt, wenn Schilde die Wucht der Angriffe auffangen, macht mir unmissverständlich klar: Dieser Kampf ist ein Duell auf Leben und Tod.
Anders als in modernen Action-Spielen wie Darksiders oder Mittelerde: Mordors Schatten, muss ich mich immer wieder neu auf meine Gegner einstellen. Ein simpler Tastendruck reicht nicht aus, um die Verteidigung zu durchbrechen. Vielmehr müssen leichte und harte Schläge sinnvoll miteinander kombiniert werden; Lücken in der Defensive der Kontrahenten gefunden werden, ohne dabei aus der Puste zu kommen. Gelegentlich ist es sinnvoller, hinter einem schweren Schild Schutz zu suchen oder mit einem magischen Handschuh Energiegeschosse zu entfesseln, anstatt blindlings in den Nahkampf zu stürmen. Lords of the Fallen zwingt mich dazu, unterschiedliche Waffenarten auszuprobieren und verschiedene Kampfstile miteinander zu kombinieren.
Schöner erkunden
Eingebettet ist das vielleicht komplexeste Kampfsystem des Genres in eine Dark-Fantasy-Welt aus dem Standard-Baukasten. Ein heimgesuchtes Kloster bildet die düstere Kulisse, um einfallende Dämonenarmeen in die Flucht zu schlagen. Sonderlich kreativ ist das nicht. Die Frage nach der Motivation der einfallenden Horden stellt sich nämlich gar nicht: Böse ist böse und muss auch nicht erklärt werden. Die wenigen Zwischensequenzen mit farblosen Nebencharakteren vermögen ebenfalls keine Tiefe in die Handlung zu schwätzen.
Diese zweifelhafte Beliebigkeit schlägt sich auch im grundsätzlichen Design des Spiels nieder. Lords of the Fallen bedient sich freimütig bei anderen Marken. Die Warhammer-Reihe steht dabei Pate für das Rüstungsdesign mit seinen überbordenden Schulterpanzerungen, angsteinflößend mutierten Extremitäten und riesenhaften Waffen, die selbst der stärkste Mann nicht schwingen könnte. Die mit schwarzen Stahlplatten und allerlei Spitzen und Stacheln verzierten Gegner scheinen hingegen aus dem Buch „Das kleine Einmaleins des Monsterdesigns“ zu stammen. Gleiches gilt für deren generische Heimatdimension. Schlimm ist das nicht. Denn obwohl kein eigenständiger Stil zu erkennen ist, schaffen sowohl die Präsentation dieser entlehnten Versatzstücke wie auch der grundlegende Aufbau der Gebiete ein stimmiges Bild einer Fantasy-Welt. Eine Welt, die vom Krieg gegen einen übermächtigen Feind gezeichnet ist.
Angesengte Banner tanzen mit jeder Windböe über rußgeschwärzte Mauern, Schneestürme trüben in den Außenarealen meine Sicht, während es der Schein dutzender Fackeln und Kohlepfannen nur kläglich vermag, die engen Klosterkorridore zu erleuchten. Hier liegt vieles im Dunkel und hinter jeder Biegung versteckt sich eine neue Gefahr. Der anfänglich allzu lineare Aufbau der Klosteranlange entpuppt sich nach wenigen Stunden als aufgefeiltes Labyrinth voll verschlossener Türen und Geheimgänge. Immer wieder schalte ich Abkürzung zu längst erkundeten Gebieten frei. Da meine Feinde niemals nachgeben und nach jedem Charaktertod und Wechsel von einer Region zur nächsten zurückkehren, führen diese verkürzten Laufwege auch noch nach Stunden in umkämpfte Areale. Einzig die kurzen Ladezeiten brechen mit dem Gefühl, eine zusammenhängende Welt zu erkunden.
Herausfordernde Herrscher
Wo eine Dämonen-Armee ist, dürfen deren Anführer nicht fehlen. In regelmäßigen Abständen werden die kurzweiligen Scharmützel mit dem dämonischen Hufvolk von zähen Boss-Kämpfen abgelöst. Und diese haben es in sich. Es sind Schreckgestalten hoch wie Häuser, die imposante Waffen schwingen und während der andauernden Gefechte immer wieder ihre Kampfstile und Angriffsmuster ändern. Mehr denn je gilt es in diesen Schlachten, die Ruhe zu bewahren und nicht blindlings voranzustürmen. Erst dann, wenn ich weiß, mit welchen Schlagkombinationen und Spezialattacken ich zu rechnen habe, wage ich den Vorstoß. Doch die Lebensbalken der Herrscher-Wesen bröckeln nur gemächlich unter meinen viel zu schwachen Angriffen. Vielleicht haben es die Entwickler das ein oder andere Mal zu gut mit den Lebenspolstern des Vernichters, der Bestie und Konsorten gemeint.
Mögen die Kämpfe auch noch so langwierig sein, entschädigen diese immer wieder mit frischen Ideen, wenn sich die gehörnten Feinde Panzerungen von den Schultern reißen, um fortan agiler zuzuschlagen – natürlich auf Kosten der Defensive -, oder für kurze Zeit wuterfüllt mit noch mächtigeren Attacken anstürmen. Zudem bieten die Gefechte die seltene Möglichkeit, auf das eher rudimentär ausgefallene Zaubersystem zurückzugreifen. Je vier Zauber aus drei unterschiedlichen Magieschulen lassen Klone zur Ablenkung der Feinde entstehen, geben einen kurzzeitigen Ausdauerschub oder erschüttern die Erde mit magischen Stößen, um Widersacher kurzzeitig aus der Fassung zu bringen. Als eigenständiger Spielstil taugt der die Scharlatanerie mit Trugbildern kaum. Dennoch bietet der Hokuspokus im Zusammenspiel mit meiner magieerfüllten Fernkampfwaffe und natürlich den dutzenden Waffengattung im Nahkampf erbauliche Abwechslung. So manch kniffelige Situation wird zum Kinderspiel, wenn ich die richtigen Waffen zum Einsatz bringe.
Variable Schwierigkeit ohne Schwierigkeitsstufen
Ohnehin überlässt Lords of the Fallen erfreulich oft mir selbst, wie kniffelig mein Feldzug gegen die Dämonen ausfallen darf. Mit jedem Feind, den ich bezwinge, steigt nämlich mein Erfahrungspunktemultiplikator in kleinen Schritten an. Erst dann, wenn ich an einem der zahlreichen Speicherpunkte meine Heiltränke auffülle, das Zeitliche segne oder meinen Spielfortschritt sichere – um beim Ableben an genau dieser Stelle zurück ins Leben zu finden – wird der Multiplikator zurückgesetzt. In der Konsequenz heißt das, dass ich selbst darüber entscheide, wie weit ich mich ohne Netz und doppelten Boden voran wagen möchte und wie hoch im Gegenzug meine Belohnung ausfallen wird.
Warum die Entwickler diesen anspornenden Nervenkitzel aus Beute-für-Risiko nicht durch eine dauerhafte Anzeige der bereit erspielten Erfahrung noch weiter angetrieben haben, bleibt wohl ihr Geheimnis. So ist mir oft gar nicht bewusst, welches Risiko ich gerade eingehe. Schließlich hinterlässt mein Held mit jedem Tod all seine gesammelte Erfahrung am diesem Ort. Es liegt nun an mir, vom letzten Speicherpunkt ausgehend zum Erfahrungspunktegeist neben meinem Leichnam zurückzukehren – ohne nochmaliges Ableben, versteht sich. Sollte es mir nicht gelingen, sind all die erspielten Erfahrungspunkte auf Nimmerwiedersehen verloren. Als ob dieser Druck nicht bereits genug wäre, muss ich mich bei diesem Unterfangen auch noch sputen: Die zurückgelassenen Erfahrungspunkte verflüchtigen sich nämlich mit der Zeit. Und hier ist sie nun, diese kleine, hässlich piesackende Anzeige, die mich während des gesamten Rückweges zum Geist dazu bringt, trotz gebotener Vorsicht übereilt und waghalsig an Feinden vorbeizusprinten und Abkürzungen zu nehmen, die sich viel zu häufig als Sackgasse im Level-Labyrinth herausstellen: 100 %, 99 %, 98 % … SCHNELLER!
Mag ich es einmal weniger frustrierend, bunkere ich die Erfahrungspunkte an Speicherstellen, die auch meine begrenzten Heiltränke auffüllen. Der Erfahrungspunktemultiplikator wird dadurch zwar wieder auf den Ausgangswert zurückgesetzt, dafür fällt aber auch der Druck von meinen Schultern. Außerdem könnte es sich wieder einmal lohnen, gebunkerte Erfahrungspunkte in die für Rollenspiele typischen Charakterattribute wie Stärke, Ausdauer und Co. zu investieren; schließlich wird durch die Aufwertungen von Schadens- und Defensivwerten Harkyns Leben dauerhaft erleichter.
Bennys Fazit:
Lords of the Fallen präsentiert sich als vielleicht schönstes Action-Rollenspiel des Jahres. Die stimmigen Grafikeffekte sind über jeden Zweifel erhaben und harmonieren mit den wuchtigen Soundeffekten und der dezenten Hintergrundmusik. Das Kampfsystem mit seinen unterschiedlichen Angriffsstilen (je nach Waffengattung) und Angriffsmustern (je nach Verkettung verschiedener Schlagarten) geht nach kurzer Eingewöhnungszeit in Fleisch und Blut über. Kopfloses Anrennen gegen bis zum Ende fordernde Feinde ist meist zum Scheitern verurteilt – vielmehr führen Beobachtungsgabe und Geduld zum Sieg.
Geschichte und Historie der Welt könnte kaum spannungsärmer präsentiert sein. Die Haupt- und Nebenaufgaben sowie die Dialoge lassen keine Atmosphäre aufkommen. Da helfen nicht einmal die meist guten deutschen Synchronsprecher wie Tobias Kluckert (Gerard Butler, Bradley Cooper) oder der überraschende Denkanstoß zum Finale des Spiels. Lords of the Fallen lebt von seinem Kampfsystem und dessen Präsentation. Dass nach rund 15 Stunden bereits Schluss war, hat mich ausschließlich deswegen geärgert, weil ich mehr Boss-Gegner bezwingen, abwechslungsreichere Areale bereisen und mehr Rüstungen- und Waffenstile ausprobieren wollte. Lords of the Fallen unterhält trotz aller Mängel viel zu gut. Vielleicht werde ich die blasse Handlung doch noch ein zweites und drittes Mal durchspielen – der Schwierigkeitsgrad zieht nämlich mit jedem Abspann noch einmal an. Was Souls-Veteranen von Lords of the Fallen erwarten dürfen, lest ihr unter „Das deutsche Dark Souls„.
[tab:Das deutsche Dark Souls]
Dark-Souls-Fans werden ganz gern über einen Kamm geschert: Elitäre Videospiele-Nerds sollen wir sein; außerdem von der Gewissheit zehren, besser als andere Spieler zu sein und Frustresistenz mit purem Masochismus verwechseln. Wer jemals für mehr als eine Stunde einen der Souls-Teile gespielt hat, weiß, dass das natürlich Bockmist ist. Schließlich gibt es die unterschiedlichsten Gründe, sind in Boletaria, Lordran oder Drangleic zu verlieren. Der Grund, warum ich das zu Beginn dieser Kritik erwähne ist recht einfach: Lords of the Fallen wurde noch vor der Veröffentlichung als „deutsches Dark Souls“ gepriesen: bockschwer, mit tolles Kampfsystem und einer Bestrafung für den Spielertod. Aber macht das allein ein Souls-Spiel aus? Was ist mit der Geschichte, der für Rollenspiele essentiellen Charakterentwicklung und der Möglichkeit, beinahe jedem beliebigen Spielstil sinnvoll nachgehen zu können? Kann Lords of the Fallen auch das?
Geschichte mal anders
Anders als die Reise durch die Länder der Verfluchten, hangelt sich Harkyns Abenteuer stets an fest vorgegebenen Fäden entlang. Immer wieder erinnert die Einblendung der aktuellen Hauptaufgabe daran, was als nächstes zu tun ist. Das mag aufgrund der gelegentlich kryptischen Wegbeschreibungen und vagen Angaben nicht ganz in einem langweiligen Automatismus enden, schränkt dennoch stark bei der Weltenerkundung ein. Zumal deren Geheimnisse und versteckten Orte oftmals direkt an Nebenmissionen gekoppelt sind, die nur selten über „Bringe mir dies oder das!“ hinausgehen. Abkürzungen oder gar ganze Flügel der mittelalterlichen Klosteranlage – die rund die Hälfte des Spielareals ausmacht – werden so plump hinter anfänglich verschlossenen Türen weggesperrt.
Diese Einschränkung könnte man noch mit etwas Wohlwollen hinnehmen, wenn die Charaktere und deren Aufträge nicht so unsäglich farblos wären. Zwar sind die Gespräche selbst in der deutschen Version voll vertont – sogar mit synchronen Lippenbewegungen – und so gut gesprochen, dass ich Harkyns Hadern mit seinen neuen Auftraggebern durchaus ernst nehme. Allein ein wirkliches Interesse für die oberflächliche Geschichte der Spielwelt und ihrer Bewohner will sich nicht regen. Und das, obwohl die Entwickler über Audio-Tagebücher, ein Kompendium der Welt und wirklich nette Gegenstandtexte – die theoretisch Raum für Interpretationen zur Spielwelt lassen – versuchen, so etwas wie Tiefe ins Spiel zu bekommen. Aufgrund der Holzhammer-Präsentation der Handlung bleibt aber nur wenig Spielraum für echte Mysterien. Nach dem ersten Durchspielen hat die Welt all ihre Geheimnisse preisgegeben. Das ist umso trauriger, weil Lords of the Fallen zum nahenden Ende sogar ähnliche Fragen aufwirft wie Darks Souls und dessen Nachfolger samt DLCs. Doch davon soll hier nicht die Rede sein. Im kommenden NinjaCast #118 werden wir wohl ein paar Worte dazu verlieren.
Kleine Welt wunderschön
Das man nach kurzem Kratzen an der Oberfläche bereits in die tiefsten Schichten der Historie der Spielwelt und Harkyns Werdegang vorgestoßen ist, liegt unter anderem an der für ein Rollenspiel viel zu kleinen Spielwelt. Zwei große Schauplätze müssen reichen: ein altes Kloster – samt Katakomben, Keller, Außenanlagen, Friedhof und Zitadelle – und die Dämonendimension – samt dämonischen Bauten, Kellern, Arenen und vielen, vielen generischen Stahlstacheln. Mehr Abwechslung hätte es schon sein dürfen. Vor allem, weil einige Areale dank Backtracking und mit fortgeschrittener Haupthandlung abermals bereist werden müssen – nur werden die bekannten Plätze dann von anderen Kreaturen und sogar neuen Boss-Gegnern bewohnt. Zu keinem Zeitpunkt stellt sich das Gefühl ein, in einer echten Welt mit echten Bewohnern zu agieren. Während die Souls-Spiele das Level-Design als Teil des Handlungsstranges verstehen und selbst die profansten Dekoelemente oftmals eine tiefe Bedeutung haben – oder zumindest innerhalb der Souls-Universen nicht grundlos dort platziert sind, wo man sie findet – sind Kloster und Dämonenwelt reine Kulisse.
Trotz der Kritik am Umfang – oder vielleicht gerade wegen der überschaubaren Spielwelt – überzeugen die Klosteranlagen wie auch die Dämonenheimat mit einem unglaublichen Detailgrad. Allerorten bröckelt Mauerwerk aus den belagerten Zinnen und Schneegestöber gibt dem Kriegsschauplatz einen beinahe beschaulichen Anstrich, der nur von angesengten Bannern und wunderschön anzusehenden Brandherden in den Kriegszustand entrückt wird. Diese Düsternis wird gerade in engen Korridoren und Katakomben nur selten von Fackelschein und mit der Zugluft schwingenden Feuerschalen durchbrochen. Schöner kann Dark Fantasy kaum aussehen.
Standard-Baukasten für schreckliche Monster
Ähnlich stimmig, aber abermals erschreckend gewöhnlich ist das Gegnerdesign ausgefallen. Neben den obligatorisch Schild tragenden Bollwerken gibt es die agilen Vertreter, Fernkämpfer und magiebegabte Geistergestalten. Ausnahmen wie die Blinden, die Harkyn nur mittels Sonarrufen aufspüren können, sind leider viel zu selten. Allerdings schafft es Lords of the Fallen trotz schreiender Ideenlosigkeit beim Design, niemals Langeweile aufkommen zu lassen. Eiterpusteln und stahlbespitzte Rüstungen gewinnen einfach keinen Innovationspreis. Natürlich könnte man diesen Vorwurf auch zu weiten Teilen einem der Souls-Spiele machen – deren Gegnerrepertoire wildert schließlich ebenfalls in der Standard-Rumpelkammer. Beschäftigt man sich jedoch ein bisschen Intensiver mit der Hintergrundgeschichte und dem aktuellen Fortschritt des Spielers, wird man schnell feststellen, dass die Platzierung von Gegnern und deren Art-Design niemals willkürlich sind. Gegnertypen, deren zurückgelassene Beute und vor allem deren Gestaltung beziehen sich immer auf einen Aspekt der Handlung. Lords of the Fallen gelingt dieser Kniff leider nicht. Dafür hat es andere Stärken: Immer dann, wenn man glaubt, genug Schergen eines Typs erschlagen zu haben, kommt ein neuer Wicht daher, der eine andere Taktik erfordert. Zudem trauen sich die Entwickler, mit fortschreitender Spieldauer verschiedene Gegnerarten miteinander zu kombinieren. Echte Monsterfluten wie zuletzt im zweiten DLCs für Darks Souls 2 gibt es erfreulicherweise zu keinem Zeitpunkt. Mehr als drei oder in Ausnahmefällen vier Feinde stellen sich Harkyn nie entgegen.
Herausforderungslose Boss-Herausforderungen
Dieser Verzicht auf eine Gegnerschwemme findet sich auch in den Boss-Kämpfen wieder. Meist steht nur ein einzelner Widersacher zwischen Harkyn und dem nächsten Story-Abschnitt. Die imposanten Dämonenherrscher sind mit Ausnahme der ersten beiden Vertreter, die beide auf einen Verteidigungsschild setzen und daher eher gemächlich in den Kampf starten, durchaus abwechslungsreich gestaltet. Und das obwohl ausschließlich humanoide oder entsetzlich mutierte, aber dennoch irgendwie menschenähnliche Biester als Schwertfutter herhalten müssen. Aufeinander aufbauende Phasen, Wut-Balken und andere Spielereien werten die Begegnungen zudem auf. Und diese Abwechslung ist auch bitter nötig, da sich die Gefechte teils unangenehm in die Länge ziehen. Oftmals wünscht man sich, die Lebensbalken würden ein gutes Stück kürzer ausfallen und Kämpfe nicht unnötig gestreckt die 5-Minuten-Marke durchbrechen.
Echte Innovation beim Boss-Design selbst – nicht deren Spielmechaniken – gibt es hingegen nicht. Zudem bieten die meist an römische Arenen erinnernden kreisrunden Kampfareale keine Abwechslung: sowohl optisch als auch spielerisch. Ein Gefecht auf einem Kapellendach mit tödlichen Abgründen fehlt ebenso wie ausgefallene Designs à la Klaffdrache in den Tiefen oder dem Sturmkönig im Schrein der Stürme. Toll ist hingegen, dass jeder Boss einen Herausforderungsmodus bietet, der vom Spieler selbst aktiviert oder einfach entdeckt werden muss. So winken besondere Belohnungen für geschickte Kämpfer, wenn beispielsweise der Wut-Modus eines Herrschers umgangen wird oder einfach allen Schlägen des ersten Bosses ausgewichen wird.
Allerdings haben auch diese Herausforderungen ihre Schattenseite: Ohne sich an diesen Besonderheiten zu versuchen, stellen die Gefechte keinen versierten Schwerkämpfer oder Hammerschwinger auf die Probe. Selten sind Attacken oder Schläge tödlich. Meist steckt Harkyn die Treffer einfach weg und frischt verlorengegangenes Leben dank einem Dutzend Heiltränke wieder auf. Der moderate Schaden der Boss-Attacken erklärt wiederum die in die Länge gezogenen Lebensbalken: Wenn einzelne Angriffe nicht mehr tödlich sein dürfen, um auch Einsteigern eine Chance zu geben, dann muss die Schwierigkeit darin liegen, diesen besonders häufig ausweichen zu müssen. Trotzdem bleibt: Boss-Kämpfe in Lords of the Fallen mögen nicht so ausgefallen und herausfordern sein wie in einem Souls-Spiel – nett anzusehen sind sie trotzdem; und so manch gute Idee kam den Entwicklern bei der Taktikausarbeitung. Übrigens sind die Herausforderungs-Portale, die nach einem Bosskampf in der normalen Spielwelt zugänglich werden, weit weniger herausfordernd, als der Name vermuten lässt. Neben einer gefahrlosen Beuterunde oder einem mit Feinden gespickten Spaziergang durch die Dunkelheit, schafft es einzig der Arena-Modus gegen anrückende Gegnerwellen, so etwas Ähnliches wie Spannung aufkommen zu lassen. Da die Umgebung innerhalb der Portale nicht einfallsloser gestaltet sein könnte, gibt es noch nicht einmal einen Lichtblick für die Augen.
Behäbiger kämpfen
Das Kampfsystem orientiert sich unverkennbar an den geistigen Vorläufern von From Software. Ein Dutzend Waffentypen mit je eignen Angriffsmustern, leichte und schwere Schläge und die Möglichkeit, Waffen wahlweise einhändig oder als wuchtigere Zweihänder zu führen bilden den Standard. Paraden, Ausweichrollen, von der angelegten Ausrüstung abhängige Bewegungsgeschwindigkeiten und besonders durchschlagende Hinterhaltangriffe im Rücken der Gegner runden das Repertoire ab. Hinzu gesellen sich nette Eigenkreationen: Manche Monster lassen sich mit gezücktem Schild im Sturmangriff umrennen und aus dem Gleichgewicht bringen – eine angeschlossene Sprungattacken nutzt die kurzzeitig offene Deckung umgehend aus. Außerdem können Angriffe zu ansehnlichen Ketten kombinieren werden, wenn ich zum richtigen Zeitpunkt – am Scheitelpunkt des Schwunges – einen weiteren Angriff initialisieren. Der Vorteil gegenüber weniger präzisen Kettenangriffen liegt im geringeren Ausdauerverbrauch. Eine tolle Idee, um Kampfveteranen einen kleinen Bonus zu verschaffen, ohne Einsteiger durch scheinbar unmögliche Kombos zu verschrecken. Schwere Angriffe lassen sich mit etwas längerer Vorbereitungszeit (hält man den Angriffsknopf gedrückt) zu noch verheerenderen Attacken aufladen.
Das führen gleich zweier, schneller Waffen ermöglicht zudem den – wer hätte es gedacht – Zweiwaffenkampf. Die anfänglich geringeren Schadenswerte kompensiert dieser Kampfstil durch vernichtende Attacken zum Ende einer erfolgreich ausgeführten Angriffskette. Neueinsteiger werden ob der kurzen Zeitfenster, wenn die Verteidigung eines Bosses unten ist, allerdings ihre Probleme mit dem Abschluss der Kombos haben. Dieses schwache Balancing der Kampfstile zieht sich durch das gesamte Spiel. Während stark gepanzerte Bollwerke mit Schild und einhändig geführten Zweihändern spielend Schläge einstecken, und mit einem einzelnen Schlag vernichtend zuschlagen. Allerdings ist die grundsätzliche Schlagdauer, also der Zeitpunkt vom Ausholen mit der Waffe bis zum Einschlag um einiges länger als in Souls-Spielen. Das lässt Harkyn einerseits behäbiger erscheinen, führt aber auch dazu, dass man in den Kämpfen mit zweihändigen Waffen oft zum Umrennen der Feinde gezwungen ist, um überhaupt einmal ungestört ausholen zu können.
Echten Fernkampf mit Bögen oder Armbrüsten gibt es nicht. Der Magiehandschuh, den Harkyn anstelle eines Schildes führen kann, bietet nur mäßigen Ersatz. Magische Geschosse oder eine Druckwelle, um Feinde im Nahkampf wegzustoßen sind ebenfalls nicht der Weisheit letzter Schluss. Gleiches gilt für die drei Magieschulen mit je vier Zaubern, von denen man zu Spielbeginn eine Schule wählen muss. Anfänglich verschmähte Schulen können im New Game + und New Game ++ ebenfalls erlernt werden. Übrigens ist nach dem dritten Durchgang definitiv Schluss – einen Endlosmodus und damit schier unbegrenzte Spielzeit gibt es nicht. Da man zwangläufig am Ende der dritten Dämoneninvasion alle Magieschulen auf einem Charakter gelernt hat, lohnt sich ein Neuanfang ebenfalls nicht. Zudem ist Magie vielmehr als Ergänzung zu sehen denn als eigenständiger Spielstil. Lords of the Fallen übernimmt die Grundprinzipien des Souls-Kampfsystems und füttert es mit neuen Ideen an, die sich gut einpassen. Lediglich die Steuerung scheint schwammiger, außerdem neigen Gegner gelegentlich dazu, fehlende Meter zwischen sich und Harkyn mit einem unerklärlichen Vorwärtsrutsch zu überbrücken – das geschieht nicht oft, ist aber dennoch nervig. Unterschiedliche Kampfstile auszuprobieren, macht auch noch beim dritten Durchspielen Spaß. Und das ist etwas, was Lords of the Fallen grundsätzlich auszeichnet: Trotz aller Mängel und einem verzeihendem Schwierigkeitsgrad macht es Spaß.
Erfahrungspunkte statt Seelen
Wie schon das Kampfsystem wurde die Charakterentwicklung nahezu identisch aus der Souls-Reihe übernommen. Mit dem Unterschied, dass Harkyn keine Seelen von bezwungenen Gegnern erbeutet, sondern ganz schnöde Erfahrungspunkte. Ein spielerischer Unterschied mag nicht darin liegen. Allerdings zeigt es einmal mehr, wie viel Energie From Software aufgewendet hat, um Spielmechaniken und Handlung klug miteinander zu verweben. Die Entwickler von Deck 13 haben die freien Kapazitäten hingegen genutzt, um das Erfahrungspunktesystem leicht zu modifizieren. Mit jedem getöteten Gegner steigt nämlich der Multiplikator für die anschließend erbeuteten EP bis auf das Zweifache. Je fehlerfreie und ausdauernder ich Dämonen bezwinge, desto höher fällt die Belohnung aus. Vor allem bei Bossen macht sich dieser Bonus bemerkbar. Allerdings wird mit jedem Besuch an einem Speicherkristall – dem Leuchtfeuer-Äquivalent – der Multiplikator wieder auf seinen Ausgangswert 1 zurückgesetzt. Gleiches gilt selbstverständlich bei Harkyns Ableben.
Und weil wir gerade beim Sterben sind: Ein EP-Geist ersetzt die Blutlache, die es in Souls-Spielen erlaubt, beim Ableben zurückgelassene Seelen in einer letzten Chance zurückzuholen. Lords of the Fallen belebt ebenfalls alle bereits bezwungenen Gegner (mit Ausnahme von Bossen und besonderen Mini-Bossen) mit Harkyns Tod wieder. Außerdem startet die Jagd nach dem EP-Geist am letzten genutzten Speicherpunkt. Doch während ich in Souls-Spielen besonders vorsichtig auf dem Rückweg zu meiner Blutlache vorgehe, nötigt mich Lords of the Fallen zur Eile. Der EP-Geist verliert nämlich mit der Zeit an Energie und damit der darin zurückgelassenen Erfahrung: 100 %, 99 %, 98 % … Andererseits kann ich den Geist während eines Boss-Kampfes zu meinem Vorteil nutzen, da Harkyn in dessen Nähe langsam, aber beständig verlorengegangenes Leben auffrischt. Auch hier gilt, dass jede Spielerleichterung ihre Kosten hat: Lebenspunkte oder Erfahrung, was ist mir wichtiger? Wer es vorsichtig mag, bunkert EP sicher an einem der Speicherpunkte, indem er sich in Charakterattribute investiert oder nutzt, um Zauber in bis zu drei Stufen aufzuwerten.
Bennys Fazit:
Lords of the Fallen ist jedem Souls-Spiel in fast allen Belangen unterlegen. Das liegt nicht nur am Schwierigkeitsgrad, der nur für Genre-Einsteiger und sicher auch manchem Veteranen Herausforderungen bereithält. Vielmehr bietet Hintergrundgeschichte und Spielwelt mit ihren zwei großen Arealen (Kloster und Dämonenwelt) viel zu wenig Platz und Zeit, um sich wirklich einzuleben. Allerdings erhält man im Gegenzug eine wesentlich ansehnlichere Präsentation; sowohl während der Zwischensequenzen und Dialoge als auch dank der grundsätzlich besseren Grafik. Das bewehrte Kampfsystem wurde um kluge Neuerungen ergänzt, reicht aber nicht ganz an die Präzision des Vorbildes heran. Vor allem in engen Gängen versagt die hibbelige Kamera zu oft den Dienst und lässt nur wenig Blick auf das Kampfgeschehen zu.
Mit rund 17 Stunden Spieldauer für einen Durchgang fällt Harkyns Feldzug viel zu kurz aus. Das schlägt sich auch in der Charakterentwicklung nieder, die zwar der aus den Souls-Spielen ähnelt, aber wesentlich schneller das Ende der Fahnenstange erreicht. Warum es ein Attribut namens Glück geben muss, dass die Chance auf bessere Beute erhöht, bleibt mir übrigens ein Rätsel – das macht man einfach nicht. Wer die Souls-Spiele vorrangig wegen der Geschichte spielt, der wird mit Lords of the Fallen nicht glücklich werden. Auch diejenigen, die Souls-Spiele ausschließlich über den Schwierigkeitsgrad definieren, finden hier kein Zuhause. Dennoch macht Lords of the Fallen Spaß, verzückt mit frischen Ideen und hat mich mit einem einzigen Gedanken zurückgelassen: Schade, dass es schon vorbei ist. Gerne mehr davon. Was Action-RPGler von Lords of the Fallen erwarten dürfen, lest ihr unter auf der ersten Seite. [tab:END]
Titel: Lords of the Fallen | Preis: 45-60 Euro | Plattform: Windows, Xbox One, PlayStation 4
Die PC Version ist leider extrem verbugged und man hat extreme Performance-Probleme und dauernd Crashes.
Hab ich auch gehört.
Bei mir gab es bis auf FPS-Drops auf ~30 keine Probleme.
Gestern ist wieder ein Patch erschienen, der wohl Fehler in den Grafikoptionen und Crashes angehen soll.