Benny 2019: Brettspiele mit Miniaturen spielen, Kindern Zöpfe flechten und am PC mehr programmieren als Videospiele spielen. Zeiten ändern sich. Veröffentlicht vonBenny Matthiesen

Es ist wieder soweit. Dieser Tage stellt die versammelte Videospielepresse einmal mehr unter Beweis, dass Redakteure und aufmerksamkeitsheischende Forentrolle gar nicht so viel voneinander unterscheidet. Was dem Troll sein „First!“, ist dem Redakteur sein „exklusiv“ oder das gelogene Versprechen, mit ihm immer fünf Minuten früher informiert zu sein.  

Dark Souls 2 wurde am 11. März für PS3 und Xbox360 veröffentlicht. Das sollte so ziemlich jeder mitbekommen haben, der auf Videospieleseiten im Internet unterwegs ist. Wir Europäer müssen uns jedoch noch einige Stunden gedulden. Erst am Freitag, dem 14., prangt es hierzulande wieder in roten Lettern über die Bildschirme: Du bist gestorben!

Exklusivitätswahn

Die DS2-Veröffentlichung ist deswegen ein Thema, weil sie zeigt, wie sich Online-Medien inzwischen entblöden, wenn es darum geht, beim Wettlauf um die Leser ganz vorn mitzumischen. Auf ausnahmslos allen deutschsprachigen Webseiten prangt seit dem US-Release ein MEGA-Test zu Dark Souls 2. Es soll sogar ganz extrem beminderwertigkeitskomplexte Gestalten geben, die nicht müde werden, mit der Länge ihrer verschriftlichen Ergüsse zu werben – als ob besonders ausdauernde Tastaturschändungen etwas über Qualität und Unterhaltungswert aussagen würde. Sprichwörtlich liegt die Würze schließlich in der Kürze.

Wie die werten Kollegen zu ihren MEGA-Test-Ergebnissen kommen? Indem sie vorab mit sogenannten Testmustern beliefert wurden, die ihnen das Gefühl einstiger Bedeutsamkeit über die Zeit retten sollen: Neuheiten spielen, bevor sie die breite Masse spielen darf. Wir haben hier übrigens auch so ein Exemplar herumliegen – und spielen und sabbern seither im steten Wechsel. Dieses Gefühl der Exklusivbehandlung retten ganz und gar Unkreative auch gern mal in die Überschriften ihrer anstehenden Artikel hinüber: „EXKLUSIV! Jede Menge neuer Impressionen aus Dark Souls II“ – Die Überschrift gibt es wirklich, kein Scherz. Zu einem Spiel, das in den USA bereits erhältlich ist.

Test auf halber Grundlage

Warum ist so ein Test vor der eigentlichen Veröffentlichung aber ein Problem? Nun, Dark Souls 2 setzt als vermeintliches Einzelspielerspiel unbedingt und wahrscheinlich so klug wie kein anderes Spiel – mit Ausnahme der Vorgänger – auf eine organische Verwebung klassischer Einzelspielerinhalte mit dem Mehrspielerpart. Nicht so plump wie ein Dead-Space-MP, der dem Horror mit purer Waffengewalt zu Leibe rückte, sondern intelligenter, subtiler. Wenn ich als Spieler in einer trostlosen, voll Verzweiflung schreienden Welt den Schemen anderer Unglückseeliger nur für einen Sekundenbruchteil erblicke, dann spüre ich: Hier bin ich nicht allein – und bin es doch. Aber es gibt mir Hoffnung, es spornt mich an und nicht zu selten ist es mir eine Warnung, wenn ich durch die Blutlachen Gefallener wate, um deren letztes Gefecht nebelverschleiert zu erahnen.

Es ist bei all der Einsamkeit eines Einzelspieler-Rollenspiels diese stete Bedrohung, unverhofft Besuch aus anderen Welten zu bekommen, die mir im Nacken sitzt. Es ist die Hitchcock’sche Angst nicht vor dem, was mir gegenübersteht, sondern vor dem, was mich jederzeit noch erwarten könnte. Der Horror lebt im meinem Kopf, ganz dicht beim Wahnsinn. Genau darüber schwärmen Dark-Souls-Jünger, nicht über Texturqualität und Boss-Counter.

Von all diesen Dingen wissen die MEGA-Tests aber nichts zu berichten. Und wenn, dann stützen sie sich auf Mutmaßungen und den dampfend ratternden Hype-Zug, der Dark Souls 2 schon jetzt Höchstwertungen einfährt. Dabei haben bereits die Vorgänger bewiesen, dass in der Souls-Reihe Einzelspieler- nicht von Mehrspielerinhalten getrennt werden können. Sie bedingen sich gegenseitig, zehren voneinander und befeuern sich – sie gehen Bündnisse miteinander ein. Mit einem lapidaren: „Den Mehrspieler-Test liefern wir nach“, ist es da nicht getan.

KOMPLETTER Walkthrough mit ALLEM, oder so ähnlich

„Wir wollen die Ersten sein!“ Dieses nach Aufmerksamkeit und SEO-Optimierung kreischende Kredo zeigt sich besonders deutlich in den dutzenden Walkthroughs, ehemals Komplettlösungen, die seit dem 11. im Internet sprießen. Allen gemein ist, dass sie suchmaschinenoptimiert mit Signalwörtern um sich werfen und wirklich niemals – nicht ein einziges Mal – das halten, was sie versprechen: ALLE Bosse, ALLE Waffen, ALLE Zauber, ALLE Regionen, KOMPLETTER Walkthrough. Aber was stören einen Redakteur Details, wenn man am Ende des unvollständigen Artikels klatschen kann: „Wird fortgesetzt…“

In dem Sinne: Wird fortgesetzt… exklusiv bei Ninjalooter – immer fünf Minuten früher informiert!

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11 Kommentare

    1. Tja, Suchmaschinen lügen halt auch – auf ihre ganz eigene spezielle Art und Weise 😉

      von wegen >ALLE Bosse, ALLE Waffen, ALLE Zauber, ALLE Regionen, KOMPLETTER Walkthrough mit ALLEM, Dark Souls II< *grins*

  1. Das ärgert mich bei GameStar immer, wenn sie da einfach immer Reviews zu Konsolen-Versionen raushauen ohne die PC Version gespielt zu haben.
    Als GTA5 rauskam, war die ganze Seite mit GTA5 zugeklatscht und ich dachte mir „WTF, hab ich den PC- Release verpasst?“
    Das ist einfach die reinste Prostitution, wer zuerst den Arsch hinhält bekommt den D+ICK!
    Aber am Ende wollen die halt auch nur Ihr Geld verdienen und das machen die vorallem mit solchen Dingen wie Komplettlösungen usw. Spieletipps.de z.B. wäre schon lange tot, wenn nicht durch Google 90% der Leute auf ihre Guides surfen würden.

  2. Aber wie oft kann dieses Spielchen mit einem Leser/User treiben?

    Beispiel Guild Wars 2:
    Jede Ankündigung zu kommenden Inhalten weckt hohe Erwartungen, aufgrund der Formulierungen die ihren Weg in Community finden. Was man als Spieler dann am Tag X bekommt, ist meist ein neuer Grund zum Grinden. Seinen Anfang hatte dieses Vorgehen schon mit dem Manifesto von Arenanet.
    Mittlerweile hat man sich dran gewöhnt und liest zwischen den Zeilen.

    BILD dir deine Meinung 😉

    Gruß
    mav

    1. 1.Weil es ein Trailer ist der 2 Jahre vor Release entstanden ist und ausserdem vor dem Nexoneinkauf bei NCSoft enstanden ist, die hatten dann nämlich auch ein Wörtchen mitzureden. Wie weit die Tragweite davon ist, weiss niemand wirklich nur wissen wir, dass einen Monat vorher eine Dame von Nexon bei A.Net eingestellt wurde, die sich dann um den Gemstore gekümmert hatte (Brachte uns so Perlen wie, keine account gebundenen Farben).

      2. Besseres Beispiel wäre der Rest, den du da geschrieben hast 😀

    2. hm…interessant! Das mit der „Teamerweiterung“ in dem Umfang ist mir neu. Dann zieh ich das Beispiel zurück. ^^

      Gruß
      mav

  3. Offtopic:
    Da ich keine Kontakt-Email finde und Twitter ja doch „etwas“ begrenzt ist in der Anzahl der erlaubten Zeichen, schreibe ich das mal hier rein:

    Ich finde deine „Frei Schnauze“ Beiträge wirklich klasse und ich möchte gerne ein Thema vorschlagen, das sehr vielen Leuten sehr viel Grund zum Aufregen gibt, aber außerhalb der Steam-Foren kaum Beachtung findet und zwar das Spiel „Godus“ von Peter Molyneux.
    Aktuell befindet es sich noch im „Early Access“ Stadium, aber es wird immer deutlicher, dass 22cans sich von Fans der alten PM-Spiele wie Populus und Black&White die Entwicklung eines F2P-Cashshop-Spiels für Handys und Tablets finanzieren lässt, obwohl eigentlich ein neues, tolles God Game für PC versprochen wurde.
    Die Entwickler streiten nicht einmal ab, dass eine mobile Version mit Cash Shop entwickelt wird und scheinen der Meinung zu sein, dass solange dieser Shop in der PC Version nicht enthalten ist, doch alles in Ordnung sei. Das Spiel ist aber trotzdem so gebalanced, dass man zum Vorankommen unendlich viel grinden und sehr lange warten muss, wodurch logischerweise in der mobile Version die Kauflust angeregt werden wird, während es auf dem PC einfach nur für Frust sorgt.
    Es ist auch äußerst beachtlich, dass sich auf Steam zwar äußerst viele Reviews finden lassen, aber inzwischen praktisch kein einziges positives mehr darunter ist.

    Vielleicht wäre das ja ein Thema für euch, denn sonst schreibt darüber ja keiner.

    Abschließend nochmal ein großes Sorry dafür, dass ich hier einfach mal die Kommentarsektion gekapiert habe und falls ich einfach nur zu blind war, um eure Kontakt-Email zu finden, auch dafür. 😉

  4. Seit dem Diablo 3 Debakel (das Spiel wurde von allen Zeitschriften, besoners Game Star, in den Himmel gelobt wurde obwohl das Spiel dank DRM häufig nicht ging und das Balance wegen dem Echtgeld-Auktionshaus im Arsch war) vertraue ich den Fachzeitschriften nicht mehr. Lieber lese ich die 5- Sterne und die 1-Sterne Bewertungen auf Amazon

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