Benny 2019: Brettspiele mit Miniaturen spielen, Kindern Zöpfe flechten und am PC mehr programmieren als Videospiele spielen. Zeiten ändern sich. Veröffentlicht vonBenny Matthiesen

Ich verehre CD Projekt. Dafür, dass sie mir den Witcher noch greifbarer gemacht haben als in Sapkowskis grandioser Buchreihe. Dafür, dass sie mir gezeigt haben, dass jedes Handeln auch Konsequenzen hat und nicht alles im BioWare-Farbspektrum bei Schwarz oder Weiß liegt. Und weil sie DRM-Verweigerer sind, obwohl sie auf DRM setzen. WHAAAAAT?!

Denk ich an CD Projekt, so glüht mein Herz sogleich für die Rebellen der Industrie. Kein Wunder, haben die Witcher-Macher doch in den vergangenen Jahren keine Gelegenheit ungenutzt gelassen, um gegen kostenpflichtige Mini-Erweiterungen (DLCs) und den ehrlichen Käufer gängelnde Kopierschutzmaßnahmen (DRM) zu wettern. Im gefühlten Wochenrhythmus wurden diese sich dem Business verweigernden Ansichten herausgenewst. Gut, vielleicht lag es auch einfach nur an der Kreativlosigkeit der Interviewer, die die immer gleichen Fragen stellten. Doch der Lohn für die stetig alte Leier war eine bedingungslose Liebe – meinerseits und die der Millionen, die mit mir an die Rebellen aus Polen glaubten.

Internetaktivierung schützt vor vorzeitigem Spielegenuss

Marcin Iwiński, Mitgründer und CEO von CD Projekt, schien einer von uns zu sein. Ein Mann aus der Mitte der Spieler, die doch nicht mehr wollen als nur Videospiele spielen – und mit Freunden teilen und vielleicht sogar weiterverkaufen, wenn sie dem Spielvergnügen überdrüssig werden. Schließlich äußerte er mehr als nur einmal, dass Kopierschutzmechanismen, Account-Gebundenheit à la Steam, Origin, UbiLauncher und Co. und diese dämlichen, nicht zu überspringenden Rechtsbelehrungen am Anfang einer DVD nicht etwa Crackern und Warez-Crews schaden, sondern vor allem uns ehrlichen Käufern.

Doch mit Witcher 3: Wild Hunt ist der ehrliche, von Beginn an dabei seiende Kunde nun doch der Angeschmierte. Damit nicht vor der Veröffentlichung am 19. Mai 2015 aus den Presswerken stibitzte Spielversionen die Runde machen, wird nämlich eine zusätzliche Datei zum Spielstart benötigt, die sich nicht auf den verkauften Datenträgern befindet. Stattdessen wird diese während der Installation automatisch von den Servern der Entwickler heruntergeladen. Käufer, die ihre Rechner ohne dieses Neuland betreiben, müssen auf alternative Downloads beispielsweise im Internet-Café um die Ecke zurückgreifen oder lassen sich diese per USB-Stick von Bekannten besorgen.

Klingt wie ein Kopierschutz und ist es auch. Nur eben ein zeitlich begrenzter. Denn schon mit der zweiten Pressung, die erst nach der Veröffentlichung in die Händlerregale kommt, soll die benötigte Datei ganz normal mit auf den Datenträger zu finden sein. Angeschmiert sind lediglich diejenigen Kunden, die es kaum erwarten können, in die nördlichen Königreiche zurückzukehren und mit Geralt hinter ein paar Röcken herzujagen.

In der Konsequenz werden Käufer der ersten Auflage bis an ihr Lebensende ein unvollständiges, nicht funktionsfähiges Produkt in den Händen halten, das für immer von einer zusätzlichen Quelle abhängig ist. Böse Buben im Internet sind mit dem Verkaufsstart hingegen fein raus. Mag es auch aus dem Spektrum klassischer DRM-Maßnahmen heraus- und mit der Zeit sogar verfallen, bleibt es für Erstkäufer aber genau das: Die Kontrolle eines anderen über das erworbene Produkt. Und wieder flimmert vor meinem geistigen Auge die FBI-Warnung: „DU SOLLST NICHT STEHLEN! Bitte an Raubkopierer weitersagen!“

Konsolenspieler sind davon übrigens nicht betroffen. Wer also zur PS4- oder XboxOne-Version greift, darf auch schon vor der Veröffentlichung loslegen. In einem BluRay-Presswerk müsste man arbeiten …

Wann ist ein DRM ein DRM?

Doch weit mehr als die unvollständige Ladenversion irritiert die fast schon beiläufige Erwähnung in einem FAQ, dass die lautstark angekündigten und als Selbstverständlichkeit angepriesenen kostenlosen DLCs nur mit einer Registrierung auf CD Projekts Verkaufsplattform GOG.com erhältlich sein werden. Dazu zählen übrigens auch ganz normale Patches, die zur Fehlerbehebung dienen. Offiziellen Support für den dritten Witcher gibt es nur gegen Account-Gebundenheit.

Ist das nun ein DRM? Also eine digitale Rechteverwaltung, wenn man es ganz simpel aus dem Englischen übersetzen müsste? Befürworter dieser Aktion bestreiten das. Schließlich könne man auch ganz ohne GOG-Account die Ladenversion spielen. Nur eben ohne Patches und künftige Inhaltserweiterungen. Und außerdem liege jeder DVD-Version ein Spielcode bei, der auf GOG.com registriert werden könne. Kein Problem also?

Nun. CD Projekt selbst begründet in eben jenem FAQ diesen optional obligatorischen Account-Zwang hingegen mit genau dieser Rechteverwaltung. Denn nur so könne man als Unternehmen feststellen, wer tatsächlich eine legale Version des Spiels besitze. Schließlich dürften nur diejenigen in den vollen Genuss samt Support kommen.

Interessanterweise gleicht diese Argumentation den bisherigen zum Thema DRM. Echten Support und Gewährleistung für ein fehlerfreies Spiel gebe es ausschließlich über die Account-Bindung an Origin, Steam und welche kleinen Schnüffel-Konten sich sonst noch in meiner viel zu langen Datenbank an Account- und Passwort-Daten befinden. Wer da noch zur Kopie greife, sei selbst schuld.

Die einstige Argumentation gegen DRM, dass nämlich einzig der ehrliche Kunde durch diese Gängelung der Gelackmeierte sei, während Besitzer illegaler Kopien ohnehin an DLCs und Co. kämen, scheint nicht mehr zu gelten. Aber die Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Spielversion ist und bleibt eine DRM-Maßnahme – auch dann, wenn sie nicht zu jedem Spielstart abgefragt wird. Ein DRM Light sozusagen: Voller Genuss bei halbem Kontrollverlust.

Im Business angekommen und die Konsequenzen

Der von Fans und CD Projekt selbst so hoch gelobte Altruismus bezüglich jahrelanger Pflege und kostenloser Inhaltserweiterungen entpuppt sich damit kurz vor der Veröffentlichung als sanfte Nötigung zur Account-Abhängigkeit. Mit all ihren Nachteilen. Schließlich ist es dem Kunden nun ganz wie bei klassischen DRM-Maßnahmen nicht mehr möglich, das Spiel im vollen Umfang weiterzuverkaufen. Der Handel mit GOG-Accounts ist nämlich ebenso wie bei der Konkurrenz untersagt. Der einmal registrierte Spielcode ist dauerhaft an das Konto gebunden.

Immerhin bleibt der Verkauf der nicht erweiterten, möglicherweise fehlerhaften Ursprungsversion. Die Kontrolle über das Produkt liegt damit nicht länger beim Kunden, sondern dem Produzenten. Argumente, die in jahrelangen Debatten um Account-Bindung und den ehrlichen Käufer gängelnde DRM-Maßnahmen ins Feld geführt wurden, treffen damit auch auf CD Projekt und The Witcher: Wild Hunt zu. Gleiches gilt für die Ausflüchte: Natürlich wird es möglich sein, die DLCs und Patches auch ohne GOG-Account zu beziehen. Torrent-Seiten, Freunde und Internet-Cafés helfen schließlich nicht nur „Raubkopierern“. Und außerdem geht es doch um die Rechte der Entwickler. Faire Bezahlung für gute Unterhaltung und so.

Und letztendlich ist auch alles gar nicht so schlimm, oder? Vor allem nicht für diejenigen, die wie ich ein halbes Dutzend Schnüffel-Programme und noch viel mehr Zugangskonten samt hinterlegter persönlicher Daten bei den großen Konzernen dieser Welt haben. Ich bin abgestumpft. Ich habe mich ergeben. Ich bin ein willenloser Konsument, dessen Prinzipien nur so lange existieren, wie mich ein Videospiel kaltlässt. Und damit bin ich wohl nicht allein.

Genau diese opportunistische Attitüde der Kunden ist es, die CD Projekt erkannt zu haben scheint. Natürlich ist es schön, das Image des „Good Guy“ im Business gleich einer Monstranz vor sich hertragen zu können, am Ende zählt aber das Geschäft. Und illegale Kopien sind dann doch irgendwie doof. DRM mag dagegen nur wenig helfen, aber man kann es in einer Light-Version doch einfach mal versuchen. Auch dann, wenn die Nachteile für die ehrlichen Kunden ganz wie beim klassischen Kopierschutz überwiegen, während sich Nicht-Bezahler ins Fäustchen lachen.

Nur eines ist dabei wichtig: Um jeden Preis muss man in der Öffentlichkeit das böse Akronym aus drei Buchstaben vermeiden, dann behält man auch den in immer gleichen Interviews zu DRM und DLC mühsam erarbeiteten Heiligenschein: „Wir sind Rebellen!“

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8 Kommentare

  1. Naja, die Büchse der Pandora wurde ja schon vor Jahren geöffnet, als sich alle ganz begeistert auf Steam gestürzt haben. Bin damals dann zu den Konsolen abgewandert, die ja bis dato von solchem DRM-Unfug verschont geblieben sind, auch wenn EA mit den Erstkäufer-DLCs ähnliches versucht hatte.

    Nach nun mehr 8 Jahren zocke ich jetzt wieder ausschliesslich am PC, da die Publisher, Steam & Co. sich den Markt schön selbst kaputt gemacht haben und man selbst heiss erwartete AAA-PC-Spiele zum Release schon für ~35 € bekommt, 3-4 Monate später für 15-20 € in irgendeinem Sale.

    Und bei solch entwerteten Spielen, für die man selbst ohne DRM nur noch zwei, drei Sechser beim Wiederverkauf bekommen würde, gehts mir schlichtweg am Arsch vorbei ob die accountgebunden sind oder nicht.

  2. Ich stimme völlig zu. Das ist eindeutig DRM. Auch wenn das einige Kommentatoren auf diversen Spielezeitschriftenseiten wohl anders sehen.

    Allerdings ist das eine Art von DRM mit der ich noch leben kann. Immerhin erlaubt GOG mir alle Spieldateien herunterzuladen und selbst zu archivieren. Installieren und Spielen kann man es dann ohne Internetverbindung. Und sollte GOG mal nicht mehr existieren, ist das egal, denn die Dateien bleiben weiter funktionstüchtig.

    Das ist imo ein guter Kompromiss zwischen den Interessen der Hersteller und denen der Kunden. Nur mit der Behauptung kein DRM zu nutzen kann CDPR jetzt wohl nicht mehr werben. „Good Guys“ sind sie trotzdem noch. 😉

  3. Ich finds vollkommen ok. Direkt nach dem Launch kann ich auch bei der Day-One-Box-Version eine DRM-freie und komplette Version bei GOG runterladen. Die kann man dann überall installieren.

    Oder man nimmt die runterzuladende (und angeblich recht kleine) Update-Datei auf einen USB-Stick und packt diesen in die Packung.

    Und wenn man das alles nicht will, dann muss man halt eine Woche später zuschlagen und eine Version ohne Aktivierung kaufen.

    Für mich bleiben CD PROJEKT RED die „good Guys“!

  4. Ich find das Witcher-DRM okay. Aber ich finde auch Always On okay, also bin ich da wohl kein Maßstab, da konzernhörig und willenloser Konsumzombie. Was ich nicht okay finde, ist das Verhalten der anderen Zombi.. äh Spieler in den Kommentarboxen. Wie CD Projekt Red da gegen alles in Schutz genommen und sogar die Tatsache geleugnet wird, dass es sich um DRM handelt … das muss man erstmal schaffen. Insofern geht mir die Heuchelei dieses Entwicklers zwar gehörig gegen den Strich, aber vor dem Marketing für diese „besonders kritischen Spieler“ ziehe ich dann doch meinen Hut.

    Auf jeden Fall schön, einen solchen Artikel hier zu finden. Im Endeffekt kann es mir (s. Anfangssatz) ohnehin egal sein, ich nehme alles. Das Spiel wird sicher großartig, das ist die Hauptsache. Und wenn der Rest immer noch glaubt, CD Projekt Red sei der Weiße Ritter und ihnen deshalb besonders viel Geld in den Rachen wirft (Key-Stores gehen HIER ja mal GAR NICHT, Support the Devs!!!1!einself!), ist mir das auch recht.

  5. bitte hört endlich mit der unart auf von „ehrlichen käufern“ zu sprechen, als ob es sowas wie „unehrliche käufer“ gäbe, die gibt es nicht, entweder man ist käufer oder eben nicht.

    gruss

    1. Dir ist sicher bewusst, dass es sich dabei um ein stilistisches Mittel handelt, um die Abgrenzung zum bösen, raubritternden Kopierer noch einmal hervorzuheben.

      ps: Tautologien sind toll!

  6. Die Retailversion beinhaltet quasi einen Online-Pass um den Wiederverkauf schwieriger zu machen.
    Das erklärt die „16 kostenlosen DLCs“ auch, die wohl eben quasi als unbegrenzter „Pre-Order DLC“ gemacht wurden.
    Dazu ein Seasonpass der schon weit vor Release zum Kauf bereit steht, GMG Keys zu verwehren weil sie ein direkter Konkurrent von GOG.com sind, das offensichtliche Grafik-Downgrade und keine Review-Versionen für PC lassen CDPR schon sehr heuchlerisch dastehen.

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