Glaubt man deutschen Medien, findet EAs Frank Gibeau das Mobile-Desaster Dungeon Keeper zu innovativ. Das also soll die Begründung sein, warum Spieler und Kritiker gleichermaßen kein gutes Haar am wiederauferstandenen und nach Euro lechzenden Horny ließen. Einziges Problem: Gibeau spricht so schlecht Deutsch wie News-Redakteure aus dem Englischen übersetzen können. Ein Lehrstück, wie man als Journalist einen Sturm der Entrüstung herbeischreiben kann.
Wer Anfang des Jahres den Smartphone-Folterkeller Dungeon Keeper Mobile angeworfen hat, weiß, dass Electronis Arts eine phantastischen Arbeit geleistet hat, die Folter aus dem Spiel auf den Spieler zu übertragen. Das war grandios und innovativ zugleich. Vielleicht ein bisschen zu innovativ für Fans der Kerker-Aufbaureihe, die mit dem neuen zeitraubenden Konzept nichts anfangen konnten. Vielleicht warb EA auch einfach zu offensiv für die kostenpflichtigen Angebote des „Freemium-Spiels“. Denn trotz des fehlenden Kaufpreises waren nachträgliche Best-Offer-Angebote von mehr als 80 Euro für Ingame-Erleichterungen kein Pappenstiel.
Sicher ist nur, dass der Publisher mit der Neuauflage für Smartphones vor allem diejenigen Spieler enttäuscht hat, die in den 90er Jahren Freude an der Prügelstrafe für nichtsnutzige Imps und dem Ausbau fallengespickter Katakomben hatten. Genau das hat besagter Frank Gibeau jetzt noch einmal in einem Interview mit der englischsprachigen Webseite Gamesindustry.biz deutlich gemacht:
„Dungeon Keeper suffered from a few things. I don’t think we did a particularly good job marketing it or talking to fans about their expectations for what Dungeon Keeper was going to be or ultimately should be. Brands ultimately have a certain amount of permission that you can make changes to, and I think we might have innovated too much or tried some different things that people just weren’t ready for. Or, frankly, were not in tune with what the brand would have allowed us to do. We like the idea that you can bring back a brand at EA and express it in a new way. We’ve had some successes on that front, but in the case of Dungeon Keeper, that just didn’t connect with an audience for a variety of reasons.“
Versuchen wir uns doch mal an einer einfachen Übersetzung in eine Sprache, die wir alle verstehen können:
„Dungeon Keeper litt unter verschiedenen Dingen. Ich glaube, dass wir keinen besonders guten Job gemacht haben, das Spiel zu vermarkten oder den Fans zu vermitteln, was sie von Dungeon Keeper erwarten können oder was es letztendlich sein sollte. Marken [Videospiele-Serien] haben letzten Endes eine bestimmte Grenze, bis zu der man Änderungen machen kann und ich glaube, dass wir vielleicht zu viele Änderungen vorgenommen haben oder zu viel Neues ausprobiert haben, für das die Leute nicht bereit waren. Ganz offen gesagt, wir haben zu viele Dinge versucht, die nicht im Einklang mit dem waren, was uns die Reihe [Dungeon Keeper] erlaubt. Wir bei EA mögen die Idee, eine Marke auf neue Weise zurückzubringen. Wir haben damit schon einige Erfolge erzielt. Aber im Fall Dungen Keeper ließ sich das aus unterschiedlichen Gründen nicht auf das Publikum übertragen.“
Obwohl ich in dieser kleinen Rubrik sonst auf die Nennung von Namen und dergleichen verzichte, um meine Schreibwut nicht zu einem Online-Pranger auswachsen zu lassen, kann ich dieses Mal beruhig auf diese Rücksichtnahme verzichten. Warum? Weil beinahe alle deutschen Videospieleportale in der Abiturprüfung Englisch-Grundkurs durchgefallen sind.
Gamestar.de: Mobile-Ableger laut EA „zu innovativ“
Eurogamer.de: „Dungeon Keeper war zu innovativ“
Gamona.de: EA über gescheiterte Mobile-Version: „es war zu innovativ“
Gamezone.de: EA über Dungeon Keeper: „Wir waren zu innovativ“
Ign.com: DUNGEON KEEPER WAR ZU INNOVATIV FÜR EUCH
Playm.de: Dungeon Keeper war laut Electronic Arts „zu innovativ”
4player.de: Dungeon Keeper war einfach „zu innovativ“
Kann man das englische „to innovate“ nicht mit dem deutschen „innovativ“ übersetzen? Nun, man sollte es zumindest nicht, weil es zwei unterschiedliche Wortarten sind. Zudem hat das deutsche Adjektiv gegenüber dem Verb „innovieren“ ein entscheidendes Problem: Es ist rein positiv konnotiert. Der lateinische Ursprung „innovatio“, der nicht mehr als erneuern oder verändern meint, wird im Deutschen mit positiven Bedeutungen aufgeladen: Innovativ ist, was einfallsreich, fantasievoll, originell und schöpferisch ist. Unsere anglophilen Freunde hingegen kennen durchaus die unterschiedlichen Bedeutungen: „to innovate“ heißt dort eben neben dem fortschrittlichen Erneuern auch, eine Änderung vorzunehmen oder etwas Neues hervorzubringen.
Ist es also nur eine lässliche Übersetzungschlamperei?
Wenn ich mir die Überschriften und sarkastischen Unterton in so mancher „News“ anschauen, sage ich ganz klar: nein. Vielmehr scheint es eine bewusste Provokation der Leser zu sein, die zielgerichtet darauf aus ist, einen Kommentarsturm der Entrüstung hervorzurufen. Wenn der Leser etwas zum Schimpfen vorgesetzt bekommt, dann wird er auch schimpfen. Damit fiel den verantwortlichen Redakteuren die Entscheidung wohl leicht, zwischen einer neutralen Überschrift, die deutlich macht, dass man bei EA sehr wohl weiß, dass mit Dungeon Keeper eine falsche Richtung eingeschlagen wurde, und dem programmierten Shitstorm zu wählen. Chapeau, liebe News-Redakteuere, eure mit Beleidigungen gefüllten Kommentarspalten geben euch recht.
Übrigens ist das gesamte Interview mit Gibeau sehr interessant zu lesen.
Ich weiß nicht, englische Muttersprachler scheinen jedenfalls ähnliche Vorbehalte gegen EAs Statement zu haben. 😉 siehe TotalBiscuit z.B.:
https://twitter.com/Totalbiscuit/status/487373057565401089
Kommt halt darauf an, wie man ein Wort verstehen möchte, das mehrere Bedeutungen hat. Aus dem Kontext heraus (den ich extra mit geschrieben habe), lässt sich diese angebliche Selbstüberschätzung aber nicht herauslesen. Im Gegenteil. Gibeau sagt mehrfach, dass es für Dungeon Keeper einfach falsch war, was sie versucht haben.
Man muss aber auch ehrlich mit dazu sagen, dass TotalBiscuit alles andere als ein seriöser Journalist ist.. 🙂
Da ich gerade die Überschrift der PCGames sehe: „EA: „Vielleicht haben wir zu viel innoviert““
Kein Mensch sagt „innovieren“. 😉 Das fällt laut Wolf Schneider (dem ich trotz großer Verdienste niemals uneingeschränkt zustimmen würde, dafür hat er selbst zu viele Marotten) unter Nichtübersetzung.
Macht doch einfach „verändert“ daraus. Das versteht jeder und es trifft auch den Kontext des Interviewabschnittes. Für die Marke Dungeon Keeper wurde zu viel verändert/ausprobiert/anders gemacht. Das hat die Erwartungshaltung der Fans nicht getroffen. Das war ein Fehler seitens EA. Nichts anderes sagt Gibeau.
Falsche Übersetzung bzw. Wortinterpretation hin oder her – am Ende bleibt das Mobile Dungeon Keeper eine Frechheit.
Volle Zustimmung.
Allerdings kann ich mit keinem der Freemium-Spiele etwas anfangen – ich bin da also voreingenommen.
Ich glaube du machst hier ein Fass auf, wo keines ist. Bei den englischen Muttersprachlern kommt die Aussage genauso verquer an, wie sie offensichtlich von den deutschen News-Redakteuren interpretiert wurde, siehe alleine die Kommentare auf diesen beiden Seiten:
http://www.escapistmagazine.com/forums/read/7.854936-EA-Dungeon-Keeper-Failed-by-Innovating-Too-Much
http://www.gamespot.com/articles/another-ea-exec-explains-why-new-dungeon-keeper-su/1100-6420996/
Und vor diesem Hintergrund ist es natürlich irgendwie witzig, den anderen das Herbeischreiben eines Sturms der Entrüstung zu unterstellen, indem man selbst einen Sturm der Entrüstung aufbauscht… 😉
Dass die englischsprachigen Medien und vor allem Kommentatoren das auch können, ist doch klar. Die wählen EA auch zur schlimmsten Firma der Welt.
Interessant ist gerade beim Escapist-Artikel, dass sie den Teil des Zitats ausklammern, in dem Gibeau erklärt, dass Änderungen je nach Marke nur bis zu einem gewissen Grad möglich sind. Und dass sie selbst zur Ankündigung des zitierten Teils das kleine, aber feine Wort „yet“ einführen, dass dem Satz die Bedeutung gibt, EA wäre seiner Zeit einfach nur voraus gewesen.
Das ist aber nicht das, was Gibeau im Interview gesagt hat.
Übrigens glaube ich ganz offen, dass die Chefs der großen Publisher wirklich der Meinung sind, viele „Core Gamer“ hätten das neue Geschäftsmodell nur noch nicht richtig verstanden.
Die in der Vergangenheit erzielten Erfolge geben ihnen recht. Die Beschwerden zu DLCs, die in der Summe locker mehr als den eigentlichen Verkaufspreis eines Spiels ausmachen, gehen anscheinend auch ins Leere – immerhin werden sie gekauft.
Das tut doch aber für eine News nichts zur Sache, die sich auf den gegebenen Inhalt beziehen sollte. Zumindest habe ich das vor Jahren mal so gelernt.
Edit: Noch ein kleines Geständnis hinterher: Ich hab‘ selbst schon genug fein provozierende News verfasst, nachdem Cheffe persönlich zuvor Überschriften in mehr Krawall abgeändert hatte. Das ist Jahre her.
Jetzt kann ich mich mit einem Glas kalten Wassers in der Hand zurücklehnen und alle 1-2 Monate mal kommentieren, was mir negativ auffällt. Das macht Spaß und ist befreiend.
@Tordar
Der Unterschied ist nur, dass dein ebeiden verlinkten Seiten eben nicht mit dem „Innovativ“ den großen Aufmacher haben. Und ob die Leute in den Kommentaren dann Muttersprachler sind weiß niemand.
Ich finde schon, dass man an dieser Stelle auf so etwas nicht nur hinweisen darf sondern auch muss. Was hier etliche deutsche Seiten gemacht haben ist nichts anders als eine kurze Romanze mit den Praktiken der Bild-Zeitung.
Allerdings vermute ich, dass nur ein Portal mit der Bild geschlafen hat und die anderen, auch in guter Nachrichtenmanier, dann lediglich abgeschrieben und sich keine eigenen Gedanken mehr gemacht haben.
EDIT: Seit 5 Minuten heißt es bei GameStar „neuartig“, (allerdings nur bei Google News, nicht im Artikel OO)
„Dungeon Keeper – Mobile-Ableger laut EA »zu neuartig«
GameStar-vor 5 Minuten“
– bei Gamona ist der Newsbeitrag ganz verschwunden.
Gamezone hat’s auch geändert bzw. korrigiert und sogar Bezug auf euch genommen. Das nenn ich mal Medien echo.
Playm korrigiert sich auch (aber ohne hinweis)
Ihr werdet gelesen. 🙂
Naja. Die Übersetzung „neues ausprobiert“ und „Änderungen vorgenommen“ ist jetzt auch nicht viel prickelnder, weil das letztlich dasselbe ist.
to innovate heißt ja neben „Änderungen treffen“ (sagt er aber mit den different things schon) auch z.B. Neuerungen einführen oder eben innovieren. Das Wort gibt es laut Duden. Und es heißt „eine Innovation, Innovationen vornehmen“.
Man darf Sprachen nicht immer wörtlich übersetzen, sondern muss v.a. auch die richtige Bedeutung transportieren. Und da passt das „zu innovativ“ imho sehr gut.
Übersetzung ist keine exakte Kunst. Ein wenig INterpretation ist erlaubt, wenn der Sinn nicht enstellt wird. Wenn Frank Gibeau davon spricht, sie hätten „zu viel Neues ausprobiert, für das die Leute noch nicht bereit waren“, so versucht er das Monetarisierungssystem von Dungeon Keeper darzustellen als etwas, das im Grunde gut und richtig war. Etwas das seiner Zeit voraus war. Nur waren die Spieler noch nicht bereit dafür.
(Ein Bezahlsystem das – wir erinnern uns – darauf basiert, den Spieler ganz massiv und mit dem Vorschlaghammer zu frustrieren und so zu Ingamekäufen zu bewegen.)
Wenn die deutschen Medien das nun verkürzen zu „Dungeon Keeper war zu innovativ“, so mag das nicht 1:1 dem Wortlaut entsprechen, aber 100% dem, was Frank Gibeau uns mitteilen wollte. Vor allen Dingen aber ist diese leichte Umformulierung ein Seitenhieb auf die nur wenige Wochen zuvor getätigte Aussage, dass Hardcorespieler ja so innovationsfeindlich wären und Probleme damit hätten, neue Geschäftsmodelle zu akzeptieren. http://bit.ly/1zxZHhv
Xaan, da stimme ich dir nur bedingt zu. Denn was die Medien getan haben, war die Aussage zu verkürzen und einen Teilaspekt hervorzuheben. Mit dem „zu innovativ“ liegt er im Grunde goldrichtig. Die Generation Teenager wächst doch gerade mit in-App-Käufen auf, Stream Filme für Geld etc. etc. Das meinte er mit Innovativ. Dass er natürlich eine ziemlich blöde Analyse des Problems mit solch einer Aussage tätigt, weil er eben nicht eingesteht (er ist übrigens der EA-Finanzchef) dass die Preise einfach in keiner Relation standen und der Kaufdruck zu hoch war. Auf der anderen Seite – und das finde ich gut – räumt er klar auch weitere Fehler ein und sagt, dass sie nicht Publikumsgerecht und nicht Markengerecht gearbeitet haben. Das stimmt auch. An den Reaktionen der Leute sieht man aber ganz deutlich, dass nichts ausser „zu innovativ“ hängengeblieben ist. Im Vergleich wäre eine Fußball-Berichterstattung zum Spiel gegen Brasilien denkbar:
„Neuer kassiert schon wieder Gegentreffer“
DFB-Elf schlägt Brasilien 7:1
Da wäre es glaube ich deutlich deutlicher gewesen.
Naja, er wird nicht besonders konkret was andere Probleme angeht. Was auch nicht leicht ist, denn außer dem Monetarisierungmodell hat Dungeon Keeper gar keine so wirklich gravierenden Fehler. Es ist im Kern eigentlich ein recht gutes Spiel, dessen Spielmechanik für Mobile gut durchdacht ist. Der Misserfolg bleibt schon ziemlich eindeutig an EAs raffgierigem Bezahlsystem hängen. Daher finde ich es auch nicht wirklich schlimm, wenn die Medien diesen Aspekt von Gibeaus Analyse so stark herausstellen.
Dungeon Keeper hat außer der Monetarisierung keine Probleme? Dem würde ich als Kerkermeister aber entschieden widersprechen. Den freien Aufbaupart in ein Mobile-Kastenbausatzprinzip zu quetschen, war der große Fehler, der bei Mythic begangen wurde. Denn das hat dem Spiel die Seele genommen. Da habe ich als jemand, der die Mobile-Version von DK ohne Geldeinsatz gespielt hat, schon vollkommen das Interesse am Spiel verloren. War bringt es mir bitte, ein paar Räume zu setzen, wenn ich das genauso in x-beliebigen anderen Spielen machen kann.
In Kritiken zum Spiel, die sich etwas von der Bezahlung gelöst hatten, wurden diese negativen Aspekte auch stark hervorgehoben. DK für Mobilgeräte hat mit dem original DK eigentlich nichts zu tun bis auf den Namen. Da spielt der Kaufdruck noch gar keine Rolle.
Ich glaube das fällt dann schon wieder unter Geschmackssache. Es muss ja nichts Schlimmes sein, wenn der Dungeon eine Art Zentrale ist, die man zwischen den Missionen immer weiter ausbaut und von der aus man dann seine Monster auf Mission schickt (leicht angelehnt an das Hauptquartier in X-Com). Ich glaube das wird nur kritisiert, weil es nicht so wie im alten DK ist. Nicht weil es sich um schlecht funktionierende Spielmechanik handelt.
Die schlecht funktionierende Spielmechanik, das sind eher die völlig utopischen Zeiterfordernisse zum Abtragen von Wänden. Da hat EA ganz eindeutig das Spiel möglichst frustrierend gemacht, damit die Leute kaufen. Nähme man das raus, könnte es imo durchaus Spaß machen….für ein Mobile Spiel.
Es ist nur so, dass man gar nicht erst richtig in die Spielmechanik reinkommt, wenn vorher schon immer diese unverschämte Zeit-/Bezahlschranke aufploppt.
Wenn ich böse wäre würde ich behaupten der Benny ist der Stefan Niggemeier des Spielejournalismus :O
Aber zum Spiel selbst: Am Ende regelt der Markt. Ob wir das nun gut finden oder nicht ist eine andere Sache. Aber das Diablo 3 AH oder hier Dungeon Keeper sind doch ein paar Lichtblicke.